Alleinsein entspricht nicht dem Lebensempfinden des geselligen Rudeltiers Hund. Aber in menschlicher Umgebung müssen sich Welpen und erwachsene Hunde unbedingt an gewisse Rudelpausen gewöhnen. Am besten gelingt das durch motivierende Gewöhnung.
Inhaltsverzeichnis
Warum Hunde Einsamkeit schwer ertragen
In der wölfischen Gemeinschaft sind Welpen und ältere Geschwister niemals gänzlich allein. Ein Teil des Rudels jagt, der andere harrt im Familienbereich aus. Aber immer sind da andere Hunde zur Ablenkung. Im menschlichen Besitz ist es völlig unmöglich, den Hund pausenlos zu umsorgen.
In den ersten Lebenswochen lernt er Einsamkeit überhaupt nicht kennen. Denn auch dort sind stets die Hundegeschwister und fast immer die Hundeeltern in hör- und sichtbarer Nähe. Hinzu kommt bei der Vermittlung die erste Verlusterfahrung aus dem gewohnten Umfeld. Im neuen Rudel kommen tausend neue Eindrücke auf den Hund zu.
Er soll nicht reinmachen, sitzen, nicht an der Leine zerren, sich mit anderen Hunden vertragen … aus dem Feuereifer wird beim ersten Alleinsein fast immer pure Panik. Nur der Hundebesitzer kann diese Panik in Geduld verwandeln. Wenigstens während des Einkaufs, oft auch während der Arbeitszeit der Besitzer, muss der Hund das Alleinsein ertragen. Schritt für Schritt erlernt sich diese neue Aufgabe für beide Seiten zufriedenstellend.
Schritt für Schritt Alleinsein trainieren
Am besten gelingt das Trainieren herrenloser Zeiten durch das Zufallsprinzip. Erst wird ausgiebig gespielt. Der Hund ist davon fasziniert. Ausgepowert bekommt er eine ruhende Betätigung, am besten eine langwierige Knabberei für sein Körbchen. Wie zufällig verschwindet nun der Hundebesitzer aus dem Raum. Bleibt es dort ruhig, kommt er nach wenigen Minuten mit einer Belohnung zurück.
Dieser erste Schritt lässt sich ab sofort ausbauen. Spielen – ruhen und knabbern – Alleinsein – Belohnung für ruhiges Verhalten. Bei Anfangsproblemen kann nebenher laufende Musik den Hund beruhigen. Durch das Spiel vorher ist er noch ausreichend abgelenkt. Er bemerkt den Unterschied der Geräusche erst, wenn der Hundebesitzer schon wieder zurück ist.
Hunde mit besonders ausgeprägter Verlustangst dürfen keinesfalls für Jammern, Scharren oder andere Panikreaktionen bestraft werden. Ihnen hilft es unter Umständen, wenn beim Verlassen des Raumes ein ungewaschenes Kleidungsstück des Besitzers zurückbleibt. Bewährt haben sich auch Ansageschleifen mit kurzen Sprechpausen. Bevor der Hund den Trick bemerkt, ist er schon nicht mehr allein.
Grunderziehung bei Welpen für herrenlose Zeiten
Eine sofortige Umstellung auf eine vorgesehene Alleinzeit ist weder bei Welpen noch bei erwachsenen Hunden möglich. Aber Welpen haben direkt nach der Anschaffung die besten Chancen auf schnelle Einstellung. Bestenfalls erleben sie die einsamen Zeiten als normal, sofern hinterher eine euphorische Begrüßung und angemessene Belohnung folgen.Von daher: Gleich in die Hundeerziehung miteinbeziehen.
Die genannte Trainingsmethode nach dem Zufallsprinzip erlaubt ein Ausdehnen der Wartezeiten für mehrere Stunden. Essenziell für gutes Gelingen sind „good News“ bei jeder Rückkehr. Das dürfen ruhig Taschen zum Beschnuppern sein, der Geruch fremder Hunde am Hosenbein oder ein neues Spielzeug.
Denn durch diese Erfahrung des ruhigen Verhaltens in den Wartezeiten in Verbindung mit der ultimativen Belohnung für die Geduld entsteht ein Gefühl der Vorfreude. Welpen werden bei korrektem Training wie hypnotisiert in ihr Körbchen klettern, nur, um Stunden später hochmotiviert den Lohn für ihre „gute Arbeit“ zu empfangen.
Wichtig: Anfangs sind Winseln, Jammern, Bellen und Scharren herzzerreißende Reaktionen der Welpen auf die plötzliche Einsamkeit. Niemals darf der Hundebesitzer aber darauf reagieren. Selbst Schimpfen oder Strafe würden ein falsches Signal senden. Der Welpe lernt dann nämlich, dass der geliebte Mensch bei der Rückkehr zwar gefährlich, aber wenigstens wieder da ist.
Deshalb müssen alle Familienmitglieder solange konsequent bleiben, bis Pausen im Jammern die Chance für die richtige Reaktion geben. Erst bei Ruhe wird der Welpe erlöst.
Auch erwachsene Hunde können an das Alleinbleiben gewöhnt werden
Erwachsene Hunde aus privater Hand können nach dem gleichen Prinzip an das Alleinsein gewöhnt werden. Es wird allerdings länger dauern, bis diese die verlangte Ruhe mit positiver Erwartung verknüpfen. Schließlich müssen hier vorhandene Erfahrungen durch neue Erlebnisse ersetzt werden. Gut bewähren sich Trainingshilfen wie automatische Bandansage mit der Stimme der Hundebesitzer oder mit Aufnahmen von Unterhaltungen mehrerer Personen.
Manche erwachsenen Hunde lassen sich auch für eine Weile von Fernsehbildern ablenken oder reagieren positiv auf CD-Musik. Ausprobieren und ermuntern heißt hier die Devise. Es ist aber bei Ablenkungshilfen Vorsicht geboten. Denn einmal an die Geräusch- oder Bilderkulisse gewöhnt, dann dies eine lebenslange Verpflichtung nach sich ziehen.
Nach einem Stromausfall ohne Möglichkeit der Ferneinschaltung könnte die plötzliche Stille sofort wieder zur Panik führen. Da der Hundebesitzer im Ernstfall Stunden vom Zuhause entfernt ist, verstärkt dies das Verlustempfinden bis hin zur Entwicklung riskanter Verhaltensstörungen (vor allem Vandalismus, Dauerkläffen oder Dauerjaulen).
Wichtig: Die vorherigen Lebensumstände eines erwachsenen Hundes müssen unbedingt geklärt werden, bevor über die Anschaffung nachgedacht wird. Häufig werden erwachsene Hunde eben deshalb abgegeben, weil sie überhaupt nicht allein bleiben können. Auch traumatisierte Tierheimhunde sind bei der Gewöhnung häufig problematisch. Sie können häufig die Verlust- und Zwingererfahrung im neuen Umfeld nicht abschütteln. Selbst intensives Training wird dann zur Zerreißprobe für Mensch und Hund.
Gewöhnung an Einsamkeit – kein Ersatz für gemeinsame Rudelzeiten
Auf keinen Fall darf das Gewöhnen an das Alleinsein als Freibrief für häufig abwesende oder vielbeschäftigte Hundebesitzer verstanden werden. Spielzeit vor und Belohnungszeit nach der Rudelpause sind verpflichtend, um die mentale Gesundheit des Hundes lebenslang zu erhalten. Wer von vornherein weiß, dass er viel auf Geschäftsreise ist, kann darüber nachdenken, ob der Hund vielleicht mitkommen darf.
Wer Wechselschichten arbeitet, schafft sich besser keinen eigenen Hund an. Eine Alternative können Pflegeverträge mit lokalen Tierheimen sein. Von dort können Zwingerhunde während der Urlaub dieser Hundefreunde bei ihnen einziehen. Bei aller Hundeliebe geht das Wohl des Rudeltiers Hund über den Wunsch des Menschen nach einem treuen Hundegefährten.
Denn aus dieser Treue kann im Laufe langer Einsamkeit ein Risiko entstehen. Nicht selten neigen Hunde mit starkem Einsamkeitsgefühl zu Aggressionen gegen Artgenossen oder Menschen generell. Bevor es zu solchen Extremen kommt, sollten Hundeliebhaber die Bedürfnisse eines jeden Hundes unbedingt über die eigenen Wünsche bei Betreuungs-Zeitnot stellen.
Fazit
Hunde sind Rudeltiere. Bei geduldiger Gewöhnung bleiben sie durchaus nach einer Weile für eine bis mehrere Stunden allein. Ein Alleinlassen für den ganzen Tag sollte aber die Ausnahme sein oder zum Wohle der mentalen Hundegesundheit gänzlich vermieden werden.